Hoch­touren 1×1 10 Tipps für Deine Sicherheit bei Hoch­touren

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Der Wecker klingelt um einiges früher als zur Arbeitszeit. Es ist klirrend kalt, obwohl es Hoch­sommer ist. Mit anderen schlaf­trunkenen Hoch­tou­ren­gehern ziehst Du mitten in der Nacht Deine Glet­scher­aus­rüstung an und stolperst mit steifen Gliedern über steile Pfade und lockeres Geröll. Kälte und Dunkelheit umgeben Dich und alles was Du siehst, begrenzt sich auf den Lichtkegel Deiner Stirnlampe. Aber das frühe Aufstehen lohnt sich. Vor dem Morgen­grauen in absoluter Stille unterwegs zu sein. Unter Mond und Milch­straße, die von pech­schwarzen Berg­zacken eingerahmt werden, mit der aufstei­genden Sonne immer klareres Licht, klarere Luft, den Himmel, die Wolken in allen Farben und Stim­mungen betrachten. Im glei­ßenden Sonnen­schein über den Eisstrom der Gletscher und schneeweiße Firngrate zu schreiten – das sind unbe­zahlbare Erfah­rungen!

Hoch­touren werden nicht grundlos als die Königs­dis­ziplin des Berg­steigens bezeichnet. Dass die Tour hoch geht, steckt im Wort schon drin. Als „klas­sische Hochtour“ gelten Glet­scher­an­stiege und Gipfel­touren mit Schnee, Eis und kombi­niertem Gelände im Hoch­gebirge. Beim Hoch­tou­rengehen erwarten Dich Glet­scher­über­que­rungen, Passagen mit Eisflanken und Firn­graten, aber auch Felspassagen.

Für Deine Sicherheit auf Hoch­touren und damit Du Dich vor den alpinen Gefahren zu schützen weißt, hat der Deutsche Alpen­verein 10 Hoch­touren-Empfeh­lungen heraus­gegeben, die Dir Alix von Melle aus dem LOWA PRO Team hier erläutert. Die prak­tischen Grundlagen lernst Du in Fels- und Eiskursen, die nötige Erfahrung sammelst Du am besten Schritt für Schritt.

Imagefoto mit dem ALPINE ICE GTX,

Ausrüstung, Wetter und Orien­tierung Passe Deine Ausrüstung den Verhält­nissen an

Verhältnisse checken

Glet­scher­rü­ckgang, Ausa­perung (Schmelzen der Schnee- und Eisdecke) und Anstieg der Null-Grad-Grenze aufgrund des Klima­wandels erhöhen die Stein­schlag- und Spal­ten­sturz­gefahr. Deswegen solltest Du recht­zeitig aufbrechen und ständig das Wetter und das Gelände checken – und entsprechend Deine Route anpassen.

Laufende Orien­tierung

Im weglosen Gelände, auf Glet­schern und bei starker Sicht­ein­schränkung kann sich die Orien­tierung schwierig gestalten. Daher ist es wichtig, den Umgang mit Karte, Höhen­messer, Kompass und GPS zu beherrschen. Im Zweifel kehrst Du am besten recht­zeitig um.

Zweck­mäßige Ausrüstung

Passe die Ausrüstung dem Ziel an und achte auf ein geringes Ruck­sack­gewicht! Vor Absturz und Stein­schlag schützen Seil und Helm, Steigeisen und Pickel geben Halt. Vergiss den Sonnen­schutz nicht – sowohl eine Creme als auch die Glet­scher­brille. Für den Notfall: Erste-Hilfe-Set, Biwaksack, Mobil­telefon und Stirnlampe. Ein paar Tipps für Deine Packliste haben wir Dir extra zusam­men­ge­stellt.

  • Rucksack mit Regen­schutz
    Verwende am besten einen Rucksack mit 35–45 Litern

  • Tele­skop­stöcke, Helm und Berg­stiefel
    Achte darauf, dass Deine Berg­schuhe steig­ei­senfest sind. Besorge dir auf jeden Fall Steigeisen mit Antis­toll­platte.

  • Sonnen­schutz
    Packe auf jeden Fall eine Creme mit hohem Licht­schutz­faktor, eine Glet­scher­brille sowie einen Sonnenhut ein.

  • Verpflegung
    Nimm Dir am besten eine Trink­flasche mit 1–3 Liter Wasser mit. Dazu auf jeden Fall Ener­gie­riegel sowie eine Brotzeit.

  • Klas­siches Equipment
    Nimm eine Stirnlampe, einen Hüftgurt und ein imprä­gniertes Seil mit.

  • Kletter-Equipment
    Wichtig sind natürlich verschiedene Karabiner, Schlingen und Klemmen.
    Am besten mindestens 3 Safelock-HMS-Schrau­ben­ka­rabiner einpacken. Dazu zwei normale Karabiner, eine Band­schlinge mit 1,2m sowie eine Band­schlinge mit 0,6m. Dazu noch eine Prusik- bzw. Reep­schnur 6 mm (1×1m+ 2×2,4m) oder alternativ eine Seil­klemme (Tibloc, Mini­Traxion, o.ä.) für Spal­ten­bergung.

  • Eis-Ausstattung
    Mit dabei sollten auch Eispickel, Eisschrauben (je nach Tour) sowie Expressen und mobile Siche­rungs­mittel sein.

  • Kleidung
    Packe am besten Funk­ti­ons­un­ter­wäsche sowie ein Wechsel-Shirt, Funk­ti­ons­socken, einen Pullover oder eine Fleece-Jacke, eine Tourenhose aus Softshell, eine wasser­dichte Überhose, eine wasser­dichte Hards­helljacke, eine Isolati­onsjacke (Primaloft oder Daune), leichte und warme Finger­hand­schuhe, Gamaschen sowie Mütze, Stirnband und Halstuch ein.

  • Notfall-Ausrüstung
    Achte darauf, dass Dein Handy voll geladen ist und dass Du sämtliche Notfall­nummern oder eine Notfallapp installiert hast. Hinzu solltest Du einen Biwaksack (je 2 Teil­nehmer) sowie ein Erste-Hilfe-Set inklusive einer Rettungsdecke dabei haben.

  • Über­nach­tungs­u­ten­silien
    Wenn eine Über­nachtung geplant ist, pack am besten auch einen Hütten­schlafsack, Waschzeug und Wech­sel­be­kleidung ein.

  • Sonstiges
    Was ansonsten nicht fehlen darf, ist Bargeld, eine EC-Karte, einen AV-Ausweis, einen Gebiets­führer oder eine Touren­be­schreibung, eine Karte sowie einen Kompass, Höhen­messer sowie ein GPS-Gerät.

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Gesund und fit in die Berge Beachte Deine Fitness und die Höhe­n­an­passung

Hoch­touren führen in große Höhen und verlangen viel Ausdauer! Die intensiven Belas­tungsreize für Herz und Kreislauf sowie Muskeln und Gelenke setzen Gesundheit und eine realis­tische Selbst­ein­schätzung voraus. Vermeide Zeitdruck und wähle das Tempo so, dass niemand über­fordert ist.

Höhe­n­an­passung beachten

Ab 2500 Metern benötigt der Orga­nismus Zeit zur Anpassung. Ein langsamer Aufstieg und eine moderate Stei­gerung der Schlafhöhe sind dafür ausschlag­gebend. Über­nachte am besten immer einige Höhenmeter unter Deinem Tages­maximum. Nimm Dir genügend Zeit und denk auch daran, genug Wasser zu trinken. Sollten Symptome wie Übelkeit, Kopf­schmerzen, Schwindel auftreten – typische Ausprä­gungen der Höhen­krankheit –, solltest Du wieder absteigen.

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Geh nie allein auf Hochtour Sorg­fältige Touren­planung

Karten, Führer­li­teratur, Internet und Experten infor­mieren über Länge, Höhen­dif­ferenz, Schwie­rigkeit und die aktuellen Verhältnisse. Besondere Beachtung verdient der Wetter­bericht, da Gewitter, Schnee, Wind und Kälte das Unfall­risiko stark erhöhen. Um nicht in eine Sackgasse zu geraten, solltest Du auch alter­native Routen planen, die Du im Zwei­felsfall gehen kannst. Bist Du noch nicht so erfahren, solltest Du immer einen Berg­führer mit in der Gruppe haben. Informiere dich über nationale Berg­rettungs-Notruf­nummern (Euro-Notruf 112).

Bildauswahl Sarntaler Hufeisen Alix von Melle

„Von Allein­gängen ist generell abzuraten. Können, Erfahrung, Motive und Grup­pengröße bestimmen die Auswahl der Tour. Die ideale Grup­pengröße beträgt 2 bis 6, mehr Personen sind ein Risi­ko­faktor. Wichtig ist auch, dass Du eine Dir vertraute Person über die Route, das Ziel und die Rückkehr infor­mierst.“

Alix von Melle | LOWA PRO Team

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Schätze Situa­tionen richtig ein. Sicherheit geht vor!

Am Gletscher anseilen, im Absturz­gelände sichern

Felsgrate, Gletscher, Firn- und Eisflanken erfordern hohe Kompetenz in der Sicherungs- und Rettungs­technik. Im Falle eines Spal­ten­sturzes verhindert die Glet­scher­seil­schaft den Absturz. Im Steil­gelände ist besondere Vorsicht gefragt, da das gleich­zeitige Seilgehen hier zu Mitreiß­gefahr führt.

Tritt­sicherheit ist der Schlüssel zu mehr Sicherheit auf Hochtour

Stürze, als Folge von Ausrutschen oder Stolpern, sind die häufigste Unfall­ursache! Beachte, dass zu hohes Tempo oder Müdigkeit Deine Tritt­sicherheit und Konzen­tration stark beein­trächtigen. Auch Unsicherheit sorgt für ein erhöhtes Unfall­risiko. Mit genügend Flüs­sigkeit, Energie und ausreichend Pausen kannst Du Deine Leis­tungs­fä­higkeit und Konzen­tration lange Zeit erhalten. Der sichere Einsatz von Steigeisen und Pickel erfordert intensives Training.

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„Im Hoch­gebirge hast Du die absolute Freiheit, Dich in einer einzig­artigen Umwelt zu bewegen. Du kannst diese Freiheit in vollen Zügen genießen, solltest dabei aber immer die hoch­sensible Hoch­ge­birgsnatur respek­tieren. Hinterlasse also bitte keinen Müll, vermeide unnötigen Lärm, lass Pflanzen in Ruhe und halte Dich an die Rege­lungen für Schutz­gebiete. Auch hoch oben in den Bergen triffst Du auf Wildtiere. Achte darauf, sie nicht zu erschrecken und ihren Lebensraum nicht zu beein­trächtigen.“

Alix von Melle | LOWA PRO Team

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Touren-Tipps für Einsteiger Schritt für Schritt voran

Zum Abschluss verraten wir Dir noch einige Tourentipps für Einsteiger:

Similaun (3.606m)

Der Similaun gehört zu den begehr­testen Hoch­touren in den Ötztaler Alpen. Glet­sche­rer­fahrung voraus­gesetzt, hält er bei passenden Bedin­gungen keine ausge­setzten Stellen oder Klet­ter­passagen bereit.

Groß­ve­nediger (3.657 m)

Eine technisch einfache Hochtour über einen spal­ten­reichen Gletscher auf den höchsten Gipfel der Venediger Gruppe. Einzig der Gipfelgrat, der vom Vorgipfel einige Meter zum Gipfelkreuz führt, kann je nach Bedin­gungen schmal und exponiert sein.

Strahlhorn (4.190m)

Das Strahlhorn gehört zu den einfa­cheren Vier­tau­sendern im Wallis. Als Stützpunkt ist die Britan­niahütte optimal gelegen und von Saas Fee aus zu erreichen.